Bäume und Blumen waren die Themen bei Emma die letzten beiden Wochen. Ich hatte beide Beiträge im voraus verfasst und parat um sie euch zu zeigen. Das Leben aber hatte andere Pläne vor mit mir, darum habe ich die beiden Beiträge nicht veröffentlicht.
Die letzten Monate verstarben verschiedene mir bekannte Menschen, deren Tod mich sehr beschäftigte und nachdenklich stimmten. Ich war in Gedanken oft bei den Angehörigen. Konnte mich so gut einfühlen, wie es ihnen nach dem Verlust eines lieben Menschen geht.
Und dann wurde ich vor zwei Wochen plötzlich selber wieder mit dem Tod konfrontiert. Wurde selber zur Trauernden. Wie aus dem nichts erreichte uns die Nachricht, dass meine Mutter wegen einem akuten Darminfarkt im Sterben liegt. Es fühlte sich an, als ob ich mich in einem schlechten Film befände. Um die Absurdität dieser Situation genauer zu umschreiben, muss ich aber etwas ausholen...
Für eine Trauerfamilie habe ich vor einem Monat diese Karte gebastelt, da mir keine im Handel käufliche Karte irgendwie passend erschien. Nie im Leben habe ich damit gerechnet, dass ich 30 Tage später selber vor einem riesigen Stapel Trauerkarten sitzen werde.
Der Tod hatte mich damals so beschäftigt, dass ich das Bedürfnis hatte, einen Text dazu zu verfassen. Nur für mich meine Gedanken nieder zu schreiben. Heute habe ich diesen Text wieder gelesen. Es scheint einfach nur verrückt. Aber lest doch selbst...
Hallo Mister Tod
Seit Tagen sitzt Du mir
im Genick und drängst mich zum Schreiben. Ich schiebe es vor mir her. Aber Du
bist immer wieder da und drängst mich weiter. Aber wozu? Wer bist Du
eigentlich? Ich weiß Du gehörst zum Leben wie die Geburt. Aber ich verstehe
dich nicht. Du kommst meistens dann, wenn man dich am wenigsten erwartet, wie
ein ungebetener Gast. Unverhofft und ohne Vorwarnung. Du hinterlässt Chaos,
Dunkelheit, Verzweiflung, Traurigkeit, Leere, Ungewissheit, Müdigkeit und
Hilflosigkeit. Wenn Du auftauchst, sind der Schock, die Wut und die Trauer
meistens auch nicht weit. Ihr streift durch die Welt wie ein unliebsames
Quartett. Ihr schüttelt die Menschen durch wie ein tobender Sturm und spuckt
sie wieder aus, so als ob sie gerade bei 90 Grad gewaschen worden wären. Einsam
und verlassen. Die Trauer begleitet die Menschen als Folge von Dir meistens
ziemlich lange. Viel länger als die Mitmenschen annehmen. Nicht nur Wochen-
oder Monatelang, nein oft bleibt sie für ein paar Jahre. Sie schwächt sich zwar
ab, aber sie ist immer da. Manchmal erinnert sie viele Jahre danach noch an
Dich, dass Du liebe Menschen mitgenommen hast. Einfach so, ohne zu fragen.
Unverhofft.
Ich hatte schon oft das
„Vergnügen“ mit Dir. Vergnügen ist es ja keins, aber warum in aller Welt fällt
mir gerade kein anderes Wort dafür ein? Ich war schon so oft mit Dir
konfrontiert, dass ich mittlerweile sogar weiß wie unterschiedlich eine
Trauerfeier ausfallen kann. Wie schön und passend sie sein kann oder eben wie
falsch sie sich anfühlen kann. Im Innersten weiß ich auch, dass Du manchmal
sogar ein Trost sein kannst, wenn du Menschen von ihren Leiden erlöst. Aber
deine Gefährtin, die Trauer, die kommt trotzdem.
Die letzten Monate hast
Du meinen Bekanntenkreis wieder ziemlich oft Heimgesucht. Und wie immer, wenn
Du jemanden aus dem Leben gerissen hast, bleibt da das große Warum. Warum?
Warum? Warum? Weil wir irgendwann sowieso alle gehen müssen? Aber warum müssen
die einen früher gehen? Und warum trifft es so oft die guten Seelen, jene die
so viel bewegen in der Gesellschaft und Freude und Bereicherung bringen?
Obwohl ich schon so oft
mit Dir konfrontiert wurde, bleiben diese Fragen. Um nicht daran zu
verzweifeln, halte ich seit Jahren Augen, Ohren und mein Herz offen nach
Antworten. Eine vielbesagte Weisheit sagt: [Was einem nicht umbringt, macht
einem stärker]. Ha, wer sagt denn, dass wir stark sein wollen. Dann sind wir
halt schwach, was solls. Oder schwingt da doch ein Funken Wahrheit mit? Was hat
sich denn verändert bei mir, seit Du mir regelmäßig über den Weg gelaufen bist?
Ich bin dankbar für
vieles in meinem Leben. Ich schätze das Leben sehr. Ich bin dankbar für die
schöne Natur in der ich leben darf. Ich bin dankbar, wenn meine Liebsten gesund
sind. Dankbar, wenn ich selber gesund bin. Ich bin dankbar für meine
Freundschaften. Ich fühle mit, wenn andere mit Dir konfrontiert werden. Ich
habe gelernt Trauer auszuhalten, im Wissen, dass sie in Wellen kommt und nach
einer gewissen Zeit nicht mehr dauerhaft da ist. Ich habe mir angewöhnt,
Wünsche nicht mehr aufzuschieben, im Heute zu leben, weil ich nie weiß, was der
morgige Tag bringen wird. Ich habe gelernt das Leben selbst anzupacken und
nicht darauf zu vertrauen, dass es andere für mich tun. Ich musste früh lernen
selbständig zu sein. Ich messe Materiellen Dingen keinen besonders großen Wert
bei, weil ich diese am Ende meines Lebens, wenn du an meine Tür klopfen wirst,
nicht mitnehmen kann. Ich habe gelernt, dass die Trauer verschieden Facetten
hat. Ich habe gelernt, dass es verschiedene Wahrheiten gibt. Dass meine
Wahrheit und meine Wahrnehmung nicht die gleiche sein muss wie jene meiner
Mitmenschen.
* * * * *
Ich dachte, ich wüsste alles über den Tod. Aber das Leben hat mir einmal mehr gezeigt, dass die Facetten unendlich sind. Ich durfte meine Mutter zusammen mit meinen Geschwistern auf ihrem letzten Weg begleiten und bei ihr sein. Ihr Tod kam viel zu früh, dennoch bin ich unsagbar dankbar, dass sie unsere Anwesenheit wahr nahm. Das Erlebte zu verarbeiten wird noch lange dauern, aber dieses letzte Zusammensein gibt mir etwas Kraft. Ebenso wie all die vielen Begegnungen, SMS, Anrufe und Besuche in den ersten Tagen. Auch die Natur wird mir wieder Kraft geben... dass wäre mein Thema im Beitrag über Bäume gewesen. Die Kraft der Bäume...
Im Beitrag über die Blumen wollte ich euch einen Korb mit Hortensien zeigen, welchen mir meine Mutter vor kurzem geschenkt hat. Anstatt als verspätetes Geburtstagsgeschenk steht er jetzt da wie ein Abschiedsgeschenk.
Alle die hier schon länger mitlesen, wissen, dass der Tod kein Tabuthema ist für mich. Viel zu oft war ich schon damit konfrontiert. Den vielen Schicksalsschlägen ist es zu verdanken, dass ich nach dem Hinschied meiner Mutter wusste, was zu tun ist. Wir haben einfach funktioniert. Dass meine Kinder und ich anschliessend von einer fiesen Grippe heimgesucht wurden, machte es allerdings um einiges schwieriger. Ich habe das Gefühl als ob mein Leben die letzten beiden Wochen auf einer Leinwand stattgefunden hätte... Das muss alles erst einmal verdaut werden. Aber die vielen Gesten der Verbundenheit und all die vielen Menschen die bei der Trauerfeier dabei waren, helfen diesen Weg zu gehen. Und die Vorstellung, dass meine Mutter nach einem arbeitssamen Leben jetzt die ewige Ruhe geniessen darf, machen es etwas erträglicher. Und auch meine Kinder, vor allem die Kleine, die mich mit der pragmatischen Weltanschauung einer sechsjährigen zum Lachen bringt, machen es etwas einfacher. Letzten Samstag vor der Beerdigung war ich von Angst und Panik geplagt. Da sagte kleine Maus: "Aber warum hast du Angst Mami? Du musst ja nur in die Kirche gehen, warten und schauen was passiert. Du musst überhaupt nichts machen". :-) Ja wovor haben wir Angst in solchen Situationen? Vor der Ungewissheit und der Leere.
Das Laben fragt nicht, ob uns dies oder das gerade in den Kram passt. Es passiert jetzt, hier und heute. Das Schöne wie das weniger Schöne. Also geniesst es und macht jeden Tag zum Schönsten in eurem Leben. Seid dankbar für alles was ihr habt und sagt euren Liebsten, dass ihr sie lieb habt. Es kann so schnell vorbei sein. Ich wünsche euch eine schöne Woche.
Liebe Grüsse Paula